Lebensplan und Realität
Neulich fragte ich mich, welchen Lebensplan ich hatte als ich jung war. Im Alter von 16 Jahren gab es noch Idole und Zukunfts-Versionen vom eigenen „Ich“, vom eigenen Leben. Bei mir waren es folgende:
- Ich wollte unbedingt wie Ally McBeal werden. Erfolgreich, karrierebewusst, single, chaotisch war ich immer schon und ihre durchgeknallte Art erschien mir sympathisch. Das war mein Zukunfts-Ich Nummer Eins.
- Zukunfts-Ich Nummer Zwei war eindeutig ein Spice Girl – und zwar Sporty Spice – zu werden.
- An dritter Stelle findet sich die bodenständige Joey Potter von Dawson’s Creek wieder – und zwar weil sie an die Liebe glaubte. Sie schien zu wissen, dass der Ritter auf dem weißen Pferd existiert und einen aus jeder Notlage rettet.
Damals wünschte ich mir, dass alles auf einmal Realität wird. Als Gesamtpaket quasi. Auch wenn die Charaktere, aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit, nie in einer Person integrierbar sein konnten. Doch ich hatte hohe Ansprüche an das Leben.
Jahre später sitze ich nun hier, kurz vor meinem 36 Geburtstag. Wenn ich mein jetziges Leben als Kuchen darstellen würde, hätte dieser folgende Kuchenstücke: Ein Stück Vollzeit-Job. Ein Stück Yoga-Lehrerin. Ein Stück geballtes Wissen durch vielzählige Ausbildungen. Ein Stück Freundeskreis und ein Stück Single-Dasein. Die süße, rosafarbene Creme, die in der Mitte alle Tortenstücke durchzieht, ist die konstante Suche nach einer tieferen Wahrheit im Leben. Eine Suche nach etwas, wo ich nicht weiß, wonach ich suche.
Da gibt es nun aber auch diesen Teil in mir, der diesen Kuchen, der sogar mit Schokoglasur überzogen ist, eigentlich nicht will. Dieser Teil hätte viel lieber eine Obsttorte, deren Tortenstücke aus Ally McBeal, Sporty Spice und Joey von Dawson’s Creek bestehen. Und dieser Teil in mir fühlt sich als Versagerin, weil diese Obsttorte nie gebacken wurde.
Ein weiterer Teil in mir weiß aber, dass ich mich im Laufe der Zeit auf das Leben eingelassen habe. Auf Entdeckungsreise ging und ins Leben eintauchte. Auf ein Leben, woraus dieser Kuchen mit rosafarbener Creme und Schokoglasur gebacken wurde. Dieses Leben mit genau diesen Tortenstücken wäre vor zwanzig Jahren nicht einmal in meiner Phantasie vorstellbar gewesen. Niemand kannte damals Yoga. Und genau deswegen, weil das Leben etwas ermöglichte, das ich mir selbst nicht erträumen hätte können, möchte ich die Obsttorte loslassen. Ich möchte diese Torte mit rosa Creme und Schokoglasur als Geschenk annehmen. Ich wünsche mir, jedes Stück dieser Torte bis ins kleinste Detail zu genießen. Ich wünsche mir, dass diese Schokoglasur auf meiner Zunge zergeht und mich alles um mich herum vergessen lässt. Damit ich niemals vergesse wie schön, abenteuerlich und süß es ist, sich auf das Leben einzulassen und dabei nicht zu wissen, was man als Ende als Geschenk bekommt.
Indem wir alle Teile der Realität wie sie jetzt ist annehmen, in vollen Zügen ein- und ausatmen, lassen wir uns wirklich auf das Leben ein.
Love and light,
Marlene