Indien: 21 Tage der tiefen Veränderung…

Es war der 1. Mai 2016, an dem meine dritte Indienreise begann. Ich reiste nach Ujjain. An jenen Ort, an dem das diesjährige Kumbh Mela, das weltweite größte spirituelle Festival stattfand. Mein Guru Paramahamsa Nithyananda Swamiji lud all seine Schüler in sein Camp zum 21 Tage Meditationsprogramm „Shuddadvaita“ (Sanskrit: purely non-dual, eins sein mit allem). Rund 2.000 Schüler folgten diesem Ruf und kamen nach Ujjain ins Nithyananda Camp. Das einzige was ich vor meiner Reise wusste, war folgende Botschaft von meinem Guru Swamiji: 
„You will live like a Sannyas, but you will go back like a king“ – „Du wirst leben wie ein Mönch, aber du wirst zurückkehren wie ein König“.

Am frühen Abend des 2. Mai kam ich im Camp an. Ich registrierte mich beim Welcome Desk in der großen Meditations-Zelthalle. Die Meditationshalle „The Hall“ war klimatisiert und wundervoll dekoriert. Ich traf eine Freundin, die ich von meiner März-Reise kannte, und die mir anschließend das Camp zeigte.

Es gab eine Zelthalle als Speisehalle für die Teilnehmer des Meditations-Programms und eine Speisehalle für die Öffentlichkeit. Ein weiteres großes Zelt war wundervoll farbenfroh dekoriert, dies war der Tempel mit 108 goldenen Statuen, welche hinduistischen Gottheiten darstellten und einem Gebetsbereich, der Tempel war ebenfalls für die Öffentlichkeit zugänglich.

Meine Freundin brachte mich in jenen Bereich, der nur den Programm-Teilnehmern zur Verfügung stand. Als erstes zu den Toiletten. Es waren verschließbare Eisenkabinen im Freien, worin eine Klomuschel (ohne Spülung und Klobrille) stand, sowie ein Wassereimer und Wasserhahn. Mit dem Wassereimer reinigte man sich selbst und die Klomuschel nach Benützung. Die Dusche war ebenfalls eine mit einem Riegel verschließbare Kabine, zwischen Tür und Dach offen. In der Duschkabine gab es ein Loch im Boden als Abfluss, einen Kübel und einen Wasserhahn. Eine Woche später wurden noch „westliche“ Toiletten und Duschen gebaut. In geschlossenen Kabinen gab es dort eine Halterung für das Handtuch sowie einen Duschkopf und einen Wasserhahn auf Kniehöhe, aus beidem kam aber nur selten Wasser. Somit wusch ich mich ein bis zweimal täglich mit einem Kübel Wasser. Bei 40 Grad plus, Staub und Trockenheit war der Kübel Wasser ein täglicher Segen. Meistens war das Wasser in der Dusche aus, dann holte ich es mit dem Kübel aus dem hintersten Duschbereich, ca. 5 Minuten Gehzeit entfernt. Die westlichen Toiletten hatten auch selten Wasser und waren aufgrund der vielen Besonderheiten wie Klodeckel, Spülkasten etc. nicht sehr stabil und bald eher „hinüber“. Ich bevorzugte die indische Toilette, wird man bald gewohnt. Meine Freundin zeigte mir noch den Waschbereich für die Kleidung bevor wir zum Schlafzelt gingen.

Ich betrat ein Zelt mit unglaublich vielen Stockbetten aus Eisen. Es gab mit Stoff überzogene Schaumstoff-Matratzen, Polster plus zusätzliche Bett- und Polsterüberzüge. Die Zelthalle war oben seitlich offen, wodurch Luft rein und raus konnte. An der Decke waren Ventilatoren angebracht. Es gab 12 Stockbetten in einer Reihe, sprich 24 Betten. Eine Reihe war direkt an die nächste angestellt, dann war ein halber Meter Abstand bis zur nächsten Reihe. Es gab ca. 20 Reihen. Das macht in Summe in etwa 450 Menschen in dieser Zelthalle, da nicht alle Betten belegt waren. Ich brauchte ein wenig, um ein Bett zu finden. Viele waren schon belegt, manche sagten mir vom Gefühl her nicht zu. Als ich eines ausgewählt hatte, setzte ich mich hin. Ich legte meinen Rucksack aufs Bett. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Was machte ich hier? Wie sollte ich das überleben? Ich weinte. 10 Minuten lang. Dann richtete ich die Krone gerade und wusste, dass ich es schaffen würde.

Ich hielt durch. 21 Tage lang. Ich schlief täglich sehr wenig, ca. drei bis vier Stunden. Ich hatte dennoch viel Kraft und Energie. Die täglichen Meditationen eröffneten mir Bewusstseinszustände und Gefühle, von denen ich mir nie träumen ließ. Ich hatte unglaubliche, für den Menschenverstand nicht erklärbare Erlebnisse, schloss viele Freundschaften, lachte viel, tanzte viel und lernte mich selbst in sehr vielen Facetten neu kennen. Ich war und bin heute noch überrascht von meiner inneren Stärke. Überrascht von meinem Willen, mit grundlegenden Dingen auszukommen, wie Wasser, Kleidung, einem Bett (plus Ohropax), Reis, Obst, Brot und einem Kübel Wasser zum Waschen (und nicht zu vergessen: Zahnbürste und Zahnpasta). Überrascht von der mentalen Stärke, das Beste in allem zu sehen und mich dafür zu entscheiden, ein Lächeln auf den Lippen zu tragen, egal ob der Tag Wasser in der Dusche bringt oder nicht.

In der letzten Woche gab es einen Moment, wo ich nicht mehr konnte. An diesem einen Tag dachte ich, ich hätte meine Grenze erreicht. Ich weinte wie ein kleines Kind als ich in meinem Bett vor dem Schlafen gehen saß und konnte nicht mehr aufhören. Plötzlich fragte mich eine Stimme „Can I help you my dear?“. Es war die Frau zwei Betten weiter. Eine Inderin, die Mutter von der jungen Frau die neben mir schlief. Ich fragte sie, wie sie das denn hier nur aushalten kann? Wie sie das Vertrauen in den Guru haben kann, obwohl er uns so vielen Herausforderungen hier entgegenstellte (von denen ich später noch berichten werde)? Sie erzählte mir, dass sie selbst ihr ganzes Leben lang nicht viel mehr Luxus hatte. Sie hat ein Schlafzimmer, nicht viel größer als zwei dieser Betten und ein wenig abseits davon eine Dusche und WC. Sie sagte einen entscheidenden Satz zu mir „You guys are so blessed, you don’t even know how much“ – „Ihr seid alle so gesegnet, ihr könnt euch gar nicht vorstellen wie sehr“.

Als ich das erste Mal in meiner Badewanne saß als ich wieder zu Hause war, weinte ich. Ich spürte das warme Wasser auf meiner Haut, ich spürte wie sich meine Muskeln entspannten und wie gut es tat, einfach loszulassen. Ich war so unendlich dankbar. Und da vielen mir ihre Worte ein, als sie meine Hand hielt und sagte „You guys are so blessed…“. Wie Recht sie hatte.

Kurz nachdem ich nach diesen 21 Tage heimgekehrt bin, zeigte sich eine hartnäckige Darmentzündung. Ich kämpfte 8 Tage lang mit starkem Durchfall. Ich verlor viel Wasser, hatte unglaubliches Kopfweh und brauchte zwei Tage hintereinander Infusionen, weil mein Körper keine Flüssigkeit aufnahm und keine Medikamente halfen.

Nach einer Woche Verwirrung und Schwindel durch die Schmerzen, viel Schlaf und Ruhe, komme ich wieder zu Kräften. Menschen fragen mich, ob es das wert war, ob das notwendig war?

Aus momentaner Sicht kann ich sagen, dass ich wieder zur Kräften komme und dass die Veränderung, die ich bis jetzt in mir wahrnehme, folgende ist:

  • Ich blicke in den Spiegel und was ich sehe, ist eine unglaubliche Kraft. Eine innere Stärke, eine Ruhe und innere Tiefe, wie ich sie zuvor noch nie verspürte. Ich weiß, dass mich so schnell nichts erschüttern kann. Nichts.
  • Ich verspüre weder Wut noch Ärger. Es ist, als wären diese Gefühle komplett aus meinem Körper, aus meinem System gelöscht. Es ist befreiend, friedlich und glückselig.
  • Ich kann nicht weinen, zumindest nicht aus Schmerz oder Traurigkeit. Wenn ich Traurigkeit verspüre, verfliegt sie gleich wieder. Ich weine wenn dann aus Dankbarkeit, aus Glück oder wenn ich Altes loslassen darf. Endlich.
  • Ich sehe durch das dritte Auge mehr als davor mit meinen zwei Augen.

Ich bin dankbar für diese 21 Tage, auch wenn sie noch so grenzwertig erscheinen mögen. Und irgendetwas sagt mir, dass ich mir der tiefen Veränderung die in mir geschehen ist noch nicht einmal annähernd bewusst bin.

Zaubertrick „Dankbarkeit“

Es hat schon was, das Lächeln auf den Lippen. Es macht uns einfach… wie soll ich es nennen… glücklicher. Eine Freundin erzählte mir mal, sie habe ein Aura-Foto von sich machen lassen. Als die Fotografin es ihr zeigte, meinte sie „So, jetzt machen wir noch eines, wo du lächelst. Ich weiß, du fühlst dich gar nicht danach aber zieh einfach die Mundwinkel hoch, auch wenn du keine Freude fühlst.“ Und siehe da, das nächste Aura-Foto bildete eine gleichmäßigere und stärkere Aura ab als das Foto mit herabhängenden Mundwinkeln davor. Es gibt viele Studien, welche die positive Wirkung von Lachen belegen und inzwischen wurde sogar eine Wissenschaft Namens „Gelotologie“ daraus.

Wie auch immer man es dreht oder wendet, es ist uns aber manchmal einfach nicht zum Lachen. Wir fühlen uns manchmal unter Druck, unwohl in und mit uns selbst, verletzt, verärgert und es schleicht sich hin und wieder (zum Glück wirklich nur hin und wieder) ein Gefühl des „zum aus der Haut fahrens“ ein. Diese Gefühle sind einfach nicht schön und keiner will sie. Wenn du glaubst du willst sie, glaub mir, wenn du tief in dein Inneres blickst, willst du sie nicht.

Es gibt einen einfachen Trick, wie man diese Gefühle wegzaubern kann und zwar nennt sich dieser Zaubertrick „Dankbarkeit“. Wenn du dich unwohl, verärgert, gestresst oder traurig fühlst, dann denke an etwas, wofür du dankbar bist. Auch wenn es im ersten Moment nicht so einfach klingt, weil du einfach gerade wirklich, wirklich stinksauer bist und aus der Haut fahren willst. Oder weil du einfach gerade im Selbstmitleid baden willst. Oder weil der/die Exfreund/in ein A*** und der/die Kollege/in eine gemeine Nuss ist, tu dir selbst zuliebe was Gute und lass los. Dem einzigen, der Ärger oder Wut oder Traurigkeit schadet, bist du selbst.

Tu dir zuliebe Gutes und hilf dir selbst, indem du dankbar bist.

Es wird der Moment kommen, wo du dir in deiner Wut, deiner Trauer oder deinem Schmerz dann denkst „es gibt nichts wofür ich dankbar sein kann“, weil manchmal einfach Dinge im Leben passieren, wo wir das Gefühl haben alles um uns herum bricht zusammen.

Aber glaub mir, es gibt IMMER einen Grund dankbar zu sein:

  • Sei dankbar, dass du am Leben bist.
  • Sei dankbar, dass du dich frei bewegen kannst.
  • Sei dankbar, dass du ausreichen Nahrung in deinem Leben hast.
  • Sei dankbar, dass du eine Ausbildung hast.
  • Sei dankbar, dass du ein Dach über dem Kopf hast.
  • Sei dankbar, dass du Kleidung hast, die dich wärmt.
  • Sei dankbar, dass du ein Bett zum Schlafen hast.
  • Sei dankbar, dass du Menschen in deinem Leben hast, die dich lieben.
  • Sei dankbar, dass du dich selbst lieben darfst, bedingungslos und grenzenlos.
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Erfahre, was alleine der Gedanke an etwas wofür du dankbar bist bewirkt. Höre die Worte wofür du dankbar bist in deinem Kopf, du kannst es auch ganz leise aussprechen. Fühle, wie sich dieses unglaubliche Gefühl in deinem Körper ausbreiten, ein sanftes Kribbeln im Herz-Bereich und vielleicht wie ein Feuerwerk deinen ganzen Körper erleuchtet.

Die Dankbarkeit ist wunder-voll, viel Freue mit deinem Zaubertrick „Dankbarkeit“!

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Erwecke deine innere Kraft!

Es war Sonntag. Der dritte Sonntag des Yoga Teacher Trainings in Indien. Ich war mit 6 Yoginis zu einer Bergtour verabredet. Das Ziel war ein großer Wasserfall im Gebirge des Himalaya. Der Wasserfall sollte eine dreistündige Wanderung entfernt vom unserem Yoga Center sein, wo wir ein Monat lang untergebracht waren.

Wir starteten an diesem Sonntag mit Frühstück. Anschließend holten wir uns Wasser- und Snackproviant und dann ging es los. Wir starteten über steile Stufen, die uns recht schnell in die Höhe brachten. Nach kurzer Zeit hatten wir einen achten Begleiter, „Parvati“, der Hund, der uns in der Yoga-Schule immer besuchte. Wir wussten den Weg nicht, also folgten wir unserem Gefühl. Dieses brachte uns in eine komplett falsche Richtung. Wir hätten den Fluß überqueren sollen, fanden aber keine Möglichkeit und je höher wir stiegen, desto breiter wurde der Fluß und unmöglicher zu überqueren. Also mussten wir nach einer Weile wieder umkehren. Es ging die matschigen Wege wieder ein Stück hinab, bis wir die richtige Abzweigung fanden und auf die andere Seite des Flusses gelangten.

Nun ging es steil bergauf. Mein Körper war bereits erschöpft von zwei täglichen Yoga-Einheiten, drei Wochen lang. Jeder Schritt tat weh. Meine Oberschenkel drückten mein Gewicht mit jedem Schritt weiter in die Höhe, teilweise unterstützt von den Händen, die für Gegendruck auf den Oberschenkel sorgten um meinen Oberkörper vorwärts zu schieben. Mein Kopf sagte „du kannst jederzeit umkehren, es ist zu viel“. Er sagte „es ist nicht schlimm, aufzugeben wenn du zu schwach bist“. Mein Kopf argumentierte, warum ich so schwach war: Weil die anderen doch schon viel länger Yoga machten als ich und viel durchtrainierter waren. Weil ich doch so lange geraucht hatte, und meine Lungen nicht so gesund waren wie die der anderen. Weil ich vor ein paar Jahren einen Fahrradunfall hatte und mein Körper einfach ein wenig vorsichtiger behandelt werden musste. Weil ich einfach nicht so fit war. Lieber Leser, merken Sie, wo die Reise hingeht?

Wir machten eine Pause und ich fühlte in mich hinein. Wollte ich umkehren? Was sagte mein Kopf mir die ganze Zeit? Mir stiegen Tränen in die Augen. Es war erniedrigend und demütigend. Ich erinnerte mich, als ich als Kind sehr krank war und mich alle umsorgten, weil mein Körper schwach und krank war. Doch mein Körper war nicht mehr krank. Ich war seit vielen Jahren geheilt. Wir saßen auf einem Bergvorsprung, schauten in die Weite der Landschaft. Ich war gesund. Ich war stark. Ich hatte es bis hierher geschafft und wusste, ich wollte weitergehen.

Wir gingen weiter. Es wurde steiler. Mit jedem Schritt übernahm ich mehr und mehr die Kontrolle über meinen Geist. Mit jedem Schritt sagte ich „Ich bin stark“. „Ich schaffe es“. „Mein Körper ist vollkommen gesund und kräftig“. Mit jedem Schritt wurde ich stärker. Bis wir den Wasserfall hörten und sahen. Wir waren angekommen. Nicht nur war ich angekommen, sondern ich stehe mitten im Fuße des Himalaya Gebirges. Ich atme, ich lebe. Ich blicke auf den Wasserfall. Ich spüre Stärke, die ich mit jedem Schritt auf diesem Weg verankerte. Ich trage das Wissen in mir, dass ich für alle Herausforderungen des Lebens mehr Kraft haben werde als ich brauche. Ich fühle Freiheit, alles im Leben tun zu können was ich will. Alles. Ich bin dankbar für meinen gesunden und starken Körper, mit dem ich ungeahnte Wege beschreite.Erwecke deine innere Kraft! Es ist nämlich so einfach: Gib darauf Acht, was dir dein Kopf in bestimmten Situationen sagt. Ertappst du ihn dabei, dass er dir sagt, du seist schwach, du seist anfällig für Krankheiten, du seist erschöpft, dann formuliere kraftvolle Gedanken immer und immer wieder.

  • Wenn du die Stiegen statt der Rolltreppe wählst, schick Stärke mit jedem Schritt in deine Muskeln, in deine Knochen in deine Organe.
  • Wenn du Nahrung aufnimmst, iss bewusst! Sei dir darüber im Klaren, dass diese Nahrung dich mit Nährstoffen versorgt, die deinen Körper kräftig und stark machen. Kaue deine Nahrung bewusst, spüre deine kräftigen Zähne. Gerade die Zähne stehen für Kraft, sich im Leben durchzubeißen. „Sie sind Symbole des Angreifens und Zupackens, auch für Energie und Vitalität. Ausdruck des Willens, sich durchzubeißen.“ (Quelle: Kurt Tepperwein, Die Botschaft deines Körpers. Die Sprache der Organe).
  • Wenn du gehst, atme bewusst „Kraft“ ein, lass die Kraft in den ganzen Körper strömen. Atme all die „Schwäche“ aus, raus damit aus deinem Körper! Atme „Kraft“ ein, atme „Schwäche“ aus.
  • Und am allerwichtigsten:
    Wenn du verletzlich bist, erkenne es als eine deiner Stärken an. Denn verletzlich, verwundbar, sensibel zu sein, ist genauso eine Kraft in dir.

Erkenne, dass dein Körper weder kränklich, noch schwach, noch sensibel oder zerbrechlich ist. Entdecke und erwecke deinen Willen, deine innere Kraft, deine körperliche und geistige Stärke! Du musst nicht den Himalaya besteigen, aber du kannst, wenn du willst.

Brüssel im Ausnahmezustand…

Samstag, 21.11.2015, endlich war das langersehnte Wochenende da. Seit Monaten freute ich mich darauf, M und K, zwei Freundinnen aus Norwegen und Dänemark, wiederzusehen. Wir erlebten 2009/2010 gemeinsam ein tolles Auslandssemester und vor ein paar Monaten Brüssel als Ort des Wiedersehens aus. M und K trafen bereits Freitag Abend im Hotel Renaissance ein. Unser aller Rückflug ging Montag Abend (23.11.15), mit je einer Stunde Differenz, meiner als letzter um 19.10 Uhr.

Ich kam Samstag am frühen Morgen am Flughafen Wien an, hatte bereits am Abend davor online eingecheckt. Als ich kurz vor Abflug mein Nachrichten App öffnete, laß ich die erste Schlagzeile „Höchste Terrorwarnstufe in Brüssel, Metro geschlossen“. Ich flog über den Artikel und klickte auf den US-Live Ticker. Nächster Schreck als ich laß „Hotel Rennaissance evacuated“. Ich machte mir Sorgen und schickte eine Nachricht an K und M. Die Antwort kam prompt „We’re OK, we’re still in bed“. Aufruf zum Boarding. Ich zögerte kurz, sollte ich fliegen? Meine nächste Nachricht an K und M lautete „i’m a bit scared“. Sobald ich diese Worte abschickte realisierte ich, dass ich eigentlich keine Angst hatte, aber ich war unsicher. Das Telefon läutete, ich hörte K’s Stimme, so vertraut und zuversichtlich sagte sie „We feel safe, but if you’re scared you should reconsider.“ Ich hatte keine Angst und ich wollte nach Brüssel.

Der Flughafen Brüssel war mit bewaffneten Soldaten besetzt. 10 Minuten nach Ankunft saß ich bereits im Bus Richtung Gare Luxembourg. Während der Fahrt begann es zu Schneien. Endstation, ich stieg aus. Kaum Menschen auf der Strasse. Ich  ging ins nächste Café und fragte drei Einheimische ob sie das Hotel Rennaissance kannten. Sie befragten Google, es war gleich ums Eck. Das Hotel wurde ebenfalls von Soldaten bewacht, das Wiedersehen mit K und M war wundervoll. Die Evakuierung des Hotels stellte sich als Fehlinformation heraus.

Eine Stunde später machten wir uns auf den Weg Richting Altstadt/Zentrum. Es tat gut sich zu bewegen, die schöne Stadt und die Parks zu sehen, auch wenn die Stadt wie ausgestorben war und überall Militärautos standen. Wir mieden Menschenmassen, schafften es aber dennoch zu Mannekin Pis und Grand Place und gönnten uns einen Snack in einem Restaurant dort ums Eck. Um 18 Uhr kamen wir ins Hotel zurück und beschlossen, dass wir den Abend dort verbringen wollten.

Wir fühlten uns wie in einem goldenen Käfig. Wir hatten alles was wir brauchten im Hotel: Essen, Trinken, W-Lan, Pool, Sauna, eine großzügige Junior-Suite, Fernsehen und uns. Wir lachten, yogiierten, feierten unser Wiedersehen und hatten uns soviel zu erzählen, dass die Zeit wie im Flug verging.

Und trotzdem: die Nachrichten wurden nicht besser, die Polizei-Autosirenen konstanter, die Fernsehberichte beunruhigender. Die Strassen waren am Sonntag ein wenig belebter, die Sonne zeigte sich ab und an und es waren mehr Militärwägen präsent. Wir wagten uns tagsüber in den botanischen Garten und am Abend in ein Restaurant, 30 Gehminuten entfernt vom Hotel, zurück zum Hotel nahmen wir ein Taxi. Nächsten Tag laßen wir, dass es in der Restaurant-Gegend in der Nacht Razzien gegeben hat und Strassen gesperrt wurden. Auch am Montag hielten wir es nicht drinnen aus und spazierten eine Einkaufsstrasse entlang. Fast alle Shops waren geschlossen, die U-Bahn nach wie vor ausser Betrieb, sämtliche Museen, Kirchen, Sehenswürdigkeiten und viele Restaurants nicht zugänglich.

Wir sprachen über unsere Ängste und hatten grossen Respekt vor Militär, Politik, Polizei und sämtlichen Organisationen die hier im Einsatz waren und denen wir es zu verdanken hatten, dass wir uns trotz der prekären Situation sicher fühlen durften, mehr oder weniger. Wir verließen die Stadt Montag Abend mit einem mulmigen Gefühl. Wie ging es den Menschen, die in Brüssel lebten? In der eigenen Stadt nicht ausser Haus gehen zu können? Die vielen Polizisten und Sicherheitspersonen, die ihr Leben für die Menschen und am Ende des Tages für unser aller Sicherheit riskieren? Das Service-Personal in unserem Hotel, welches trotz Warnstufe 3 unser Frühstück zubereitete und unser Zimmer sauber machte? Die Menschen am Flughafen, die dankenswerterweise unsere Abreise und den Flughafen-Aufenthalt angenehm gestaltet hatten. Dankbar war ich, als ich zu Hause in meiner Wohnung die Tür hinter mir schloss und wusste, dass ich mich morgen frei und ohne Unsicherheit draussen bewegen konnte, so als sei es selbstverständlich…?!

Angst, Zuversicht und der Dalai Lama..

In wenigen Tagen sollte es soweit sein. Es standen nur mehr die schriftliche und die mündliche Prüfung bevor, bis ich tatsächlich das Zertifikat zum „Qualified Yoga Teacher“ in der Hand halten sollte und es wieder Richtung Heimat ging. Wie schnell die Zeit vergangen war und wie viele wundervolle Momente sie doch mit sich gebracht hatte…


Meine Zuversicht wurde allerdings erneut auf die Probe gestellt, als meine schweizer Kollegin ein E-Mail erhielt, dass der Flug von Dharamsala nach Delhi gestrichen war. Mir wurde schwarz vor Augen. Nein, bitte nicht. War denn die Anreise noch nicht genug? Nochmal 11 Stunden mit dem Bus nach Delhi und dort 18 Stunden auf den Anschlussflug warten? Ich war verzweifelt. Musste aber eine Lösung finden, wenn ich wieder nach Hause wollte und schrieb am späten Abend noch ein E-Mail an die Institutsleitung mit der Bitte, mir ein Busticket zu buchen. Ich war sehr aufgekratzt, schlief schlecht und als ich nach ein paar Stunden Schlaf aufwachte, war mir eines klar: es musste einen anderen Weg geben. Ich kontaktierte über Skype meine Mum und bat sie, mit der Fluggesellschaft zu sprechen um meinen Flug auf einen Tag vor zu verschieben, wenn auch der Anschlussflug nach Österreich an diesem Tag möglich war. Mein Plan ging zwar nicht ganz auf, aber ich bekam einen Sitzplatz für den Flug nach Delhi einen Tag früher, buchte ein Hotelzimmer in der Nähe des Flughafens, um dann den geplanten Flug nach Wien am darauffolgenden Tag zu nehmen. Ich war erleichtert. Aber gleichzeitig tauchte auch Angst auf, was, wenn ich wieder am Flughafen sitzen würde und auch dieser Flug gestrichen wird?
Eine Woche später war es soweit. Ich träumte in der Nacht vor meiner Abreise aus Dharamsala, dass ich von Österreich nach Delhi fliegen wollte, allerdings verschlafen hatte und den Flug verpasste. Doch das Gefühl, als ich aus dem Traum aufwachte, war völlige Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht. Im Taxi zum Flughafen sitzend war der Weg zuerst versperrt durch einen Lieferwagen, der zwar nur 15 Minuten brauchte um das Gemüse an die kleinen Läden zu verteilen, aber lange genug um meinen Pulsschlag zu erhöhen. Als wir trotz einer Sackgasse aufgrund Bauarbeiten, einer alternativen Route, einem Reifen-Aufpump-Stopp und vielen Kühen im Weg exakt nach einer Stunde Fahrtzeit am Flughafen ankamen, war ich froh und wollte schon dem Fahrer um den Hals zu fallen… aber in diesem Land schickt sich das nicht so.


Bald daraufhin wartete ich auf das Boarding Signal am Dharamsala Airport. Es war leicht bewölkt. Es ist ein sehr kleiner Flughafen, von welchem täglich nur zwei Flüge abfliegen. Es war bereits 10 Minuten vor geplanter Abflugszeit. Noch immer kein Boarding Zeichen für mich. Angst machte sich breit in meinem Körper. Ich beobachtete meine Gedanken. Mein Kopf sagte, dass ich notfalls noch immer den Bus nehmen konnte. Ich wurde traurig und fühlte mich, als nimmt mir jemand alle Zügel aus der Hand, als wäre ich Opfer der Schicksals. Ich beobachtete meine Gedanken weiterhin und versuchte zu fühlen. Und mein Körper, all meine Zellen, füllten sich mit Zuversicht. Egal, was geschehen würde, ich würde die Situation meistern und daran wachsen. Mir wurde in dem Moment klar, welch Glück ich bisher auf all meinen Reisen hatte. Wie sicher ich immer am Ziel angekommen bin, welche wundervolle Menschen ich getroffen hatte, welch einzigartige Erlebnisse mir dieses Leben auf all meinen Wegen beschert hatte. Ich fühlte nichts ausser unendliche Dankbarkeit und holte tief Luft. In diesem Moment wurden wir zum Boarding aufgerufen.
Ich ging zum Flugzeug. Es war ein recht kleiner, niedlicher Vogel, der so viele Menschen sicher ans Ziel bringen würde und ich fühlte mich plötzlich winzig klein ich diesem grossartigen Universum. Ich blickte nach rechts, da stand ein noch kleinerer Vogel mit einem Mann davor, der einen gelben Sonnenschirm hielt. Und aus dem kleinen Vogel stieg der Dalai Lama aus. Er kam die Treppe herunter, hielt inne und ging langsam Richtung Flughafen, ca. 20 Meter von mir entfernt, gefolgt von seinen Begleitern. Er blickte zu uns herüber, lächelte und winkte. Mir schossen Tränen in die Augen. Ich faltete die Hände vor meinem Herzen und dachte „Namastè (Sanskrit: „ich verehre dir“) liebes Leben“.